28. Juni 2025

Schule zwischen den Zeilen

by lilly

Was bleibt, wenn der Lärm verstummt?

Jetzt, wo der letzte Gong verklungen ist, die Klassenräume leer sind und selbst das Konferenzzimmer ungewohnt still wirkt, frage ich mich: Was bleibt eigentlich?

Die Notenkataloge sind zugeklappt, die Zeugnisse verteilt. Und irgendwo zwischen all dem Organisieren, Fördern, Ermahnen, Loben, Trösten und Strukturieren… haben wir uns begegnet. Wirklich begegnet.

Denn Schule ist nicht nur ein Ort, an dem Wissen weitergegeben wird. Sie ist ein Spiegel – für uns alle. Für Kinder und Jugendliche, die herausfinden, wer sie sind. Für uns Erwachsene, die oft vergessen, dass wir auch noch auf dem Weg sind.

Zwischen Zeugnissen und Zwischenmenschlichem

Ich bin Lehrerin. Und Mama. Ich kenne beide Seiten. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn Schüler und Schülerinnen straucheln – schulisch oder emotional. Ich weiß, wie groß die Sorgen werden können, wenn der Schulrucksack schwerer wirkt als nur vom Inhalt. Und ich weiß, wie wertvoll es ist, wenn da jemand ist, der nicht nur Leistung sieht – sondern den Menschen.

Ich bin Lehrerin von Teenagern. Und damit täglich mittendrin – in einem spannenden, manchmal lauten, manchmal verschlossenen, oft widersprüchlichen Kosmos.

Manchmal sind da Gespräche voller Witz und Klarheit – und am nächsten Tag nur ein stummes Nicken oder ein abgewandter Blick. Manchmal fliegen Gedanken schneller als der Unterrichtsstoff es erlaubt. Und manchmal reicht der Mut gerade so für ein kurzes „Ich weiß nicht“.

In diesem Alter passiert so viel – und so vieles davon im Stillen. Fragen nach dem eigenen Platz in der Welt. Nach dem, was zählt. Nach dem, was echt ist. Manche kämpfen leise, andere laut. Viele vergleichen sich. Mit Noten. Mit Erwartungen. Mit einem Bild, das sie glauben erfüllen zu müssen.

Und dazwischen wir Lehrkräfte. Keine Allwissenden, keine perfekten Vorbilder. Aber Menschen, die hinschauen. Die begleiten. Die manchmal mehr sehen, als die Jugendlichen selbst über sich wissen. Die verstehen, dass eine schlechte Note nicht gleich Desinteresse bedeutet. Dass ein genervter Blick oft mehr mit Selbstschutz zu tun hat als mit Respektlosigkeit.

In diesem Schuljahr habe ich nicht nur unterrichtet. Ich habe gesehen, wie Freundschaften entstanden, wo vorher Unsicherheit war. Ich habe erlebt, wie aus Trotz Verständnis wurde. Wie sich jemand entschuldigt hat, ohne dass ich es erwartet hätte. Ich habe Jugendliche erlebt, die nicht nur für Tests gelernt, sondern an sich selbst gearbeitet haben. Wie Tränen geflossen sind – aus Überforderung, aus Trauer, manchmal auch aus Erleichterung.

Nein, das steht in keinem Zeugnis. Aber genau das bleibt.

Es ist immer wieder ein ganz besonderer Moment für mich, wenn ich ehemaligen Absolvent/innen begegne – nach all den Jahren – und sie das Bedürfnis verspüren, sich auszutauschen, ein paar Worte zu wechseln oder sich einfach auf Instagram melden. Denn in solchen Augenblicken spüre ich: Da ist etwas geblieben. Etwas, das über Noten, Stundenpläne und Prüfungen hinausgeht. Und genau diese Rückmeldungen, leise und unbeabsichtigt ehrlich, sind für mich die wertvollsten Bestätigungen dafür, dass meine Arbeit einen Sinn hatte.

Sommer. Stille. Sein.

Jetzt beginnt der Sommer. Nicht als Flucht aus dem Alltag, sondern als Raum, der uns geschenkt wird. Ein Raum, in dem auch wir Erwachsene für einen Moment loslassen – das Planen, das Optimieren, das Funktionieren.

Vielleicht liegen da noch Fragen offen. Vielleicht war nicht alles rund. Aber das Leben ist kein Stundenplan. Kein Bewertungssystem. Kein Wettlauf. Es ist Bewegung. Und Beziehung. Und beides darf jetzt ruhen.

Und vielleicht entdecken wir im Sommer genau das wieder, was im Alltag so leicht verloren geht: Leichtigkeit. Nähe. Und Zeit.